ALLE BewohnerInnen der Bornitzstraße haben das Recht auf einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft, die ihnen v.a. ermöglicht, selber zu kochen und ihr leben mehr zu gestalten. Viele leben schon seit über einem Jahr in dieser Einrichtung, statt „längstens 6 Monate“ (§47 AsylG). Es war ihnen versprochen worden, nach der Teilrenovierung der oberen Stockwerke in der Bornitzstr. dorthin umziehen zu können. Tatsächlich aber sollten 122 BewohnerInnen am 6.10.2016 vom LAF in eine andere NUK transferiert werden, mit nur einem Tag Vorankündigung, ohne Gespräch. Sie haben sich geweigert, etwa die Hälfte ist bis heute ohne Kostenübernahme in der NUK Bornitzstrasse geblieben. Andere haben in Spandau, wenige in der Köpenicker Allee, einen Platz akzeptiert, zermürbt von vielen gebrochenen Versprechungen. Schriftlich haben diese jetzt eine Zusicherung vom LAF, baldmöglichst einen besseren Platz zu erhalten. Die, die geblieben sind, trauen keinem Papier mehr.
Nach § 47 (AsylG) sind Asylsuchende „verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu sechs Monaten, in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen“.
Die Beschaffenheit und Ausrichtungen dieser Einrichtungen sind sehr unterschiedlich.
In den Erstaufnahmeeinrichtungen bzw Notunterkünften NUK herrschen existenzielle Einschränkungen. So gilt das Sachleistungsprinzip, nach dem Vollverpflegung ohne Möglichkeit zum selbst Kochen angeboten wird, es gibt Eingangskontrollen und eine restriktive Beschränkung des räumlichen Aufenthaltsbereichs.
Nach 6 Monaten haben Asylsuchende das Recht sich privat eine Wohnung zu suchen, mindestens haben sie das Recht auf eine Unterbringung in einer GU = Gemeinschaftsunterkunft mit Kochgelegenheit für Selbstversorgung, im Zimmer oder als Gemeinschaftsküche, zudem mindestens Gemeinschaftsduschen auf der Wohnetage. Das monatliche Taschengeld wird in einer GU ergänzt um die Leistungen für Verpflegung und Hygiene-Artikel.
In ganz Berlin warten BewohnerInnen einer Erstaufnahmeeinrichtung sehnsüchtig auf den Transfer in eine GU, in der sie ihre Versorgung selbstbestimmt ausrichten dürfen. Neben dem dramatischen Mangel an Wohnraum existiert auch ein gravierender Mangel an Plätzen in GUs. Im Auftrag des Landesamt werden oder besser gesagt sollen diverse Erstaufnahmeeinrichtungen in Gemeinschaftsunterkünfte umgebaut werden und sogenannte Tempohomes und Container-Dörfer erbaut werden um den Mehrbedarf an Wohnraum zu decken.
Zum Hintergrund
Die NUK Bornitzstrasse (im Folgenden NUK B.) besteht seit Dezember 2014 in einem ehemaligen Telekom-Bürogebäude, anfangs mit 280 BewohnerInnen, im Sommer 2015 dann auf 500 BewohnerInnen aufgestockt.
Sie gehört zu einem dieser Bau-Projekte des Landesamtes, das zu einer Gemeinschaftsunterkunft umgebaut werden soll. Seit Winter 2015 ist das Bauvorhaben offiziell und bis zum heutigen Tag nicht fertig gestellt.
Die Baumaßnahmen des Landesamtes folgen immer dem gleichen Prinzip: Es werden 2 Etagen auf einmal umgebaut, so dass in der Zeit des Umbau die BewohnerInnenzahl einer Unterkunft sich je nach Größe um ca. 120-160 Personen reduzieren sollte. Diese Personen sollten VOR Baubeginn umverteilt werden, um einen reibungslosen Umbau gewährleisten zu können.
Nicht aber in der Bornitzstraße. Hier fand lediglich eine „Verdichtung“ statt. BewohnerInnen wurden in sogenannte Funktionsräume unterbracht auf sehr engem Raum. So wohnten u.a. 11 Iraner 3 Monate lang im ehemaligen Deutschkursraum, Matratze an Matratze, mit dem Versprechen seitens der Leitung, nach Fertigstellung der oberen Etagen dorthin ziehen zu können. Das ließ sie ausharren – bis es jetzt unerträglich wurde und sie ihr Recht auf eine würdige Unterbringung einforderten.
Dazwischen kam der öffentlich gewordene Konflikt mit der Pewobe, aufgrund höchst rassistischer Äusserungen seitens der obersten Leitung gerade in Bezug auf die Bornitzstrasse (Stichwort „Kinderguillotine“) kündigte der Senat mit Pressemitteilung vom 14.8.2016 alle Verträge mit der Pewobe, erst fristlos, später fristgerecht.
Wie jetzt in vollem Umfang bekannt wurde (s. Morgenpost 16.10.2016) hat die PeWoBe über Jahre in der Versorgung von Geflüchteten allgemeine Leistungsbeschreibungen und Richtwerte nicht eingehalten, krass in der Unterversorgung mit Personal (jede zweite Personalstelle nicht besetzt, aber abgerechnet, s. ebenda), aber ebenso in der Versorgung mit anständigem Essen, genug Hygieneartikel etc., die Mängelliste ließe sich endlos verlängern. Trotz erheblicher Bedenken und Mängel hatte das Landesamt weiterhin Betreiber-Verträge der PeWobe zugespielt.
Nun wird die Folge dieses desaströsen Umstands sichtbar, einen Betreiber frei gewähren zu lassen. Das Geschäft mit den geflüchteten Menschen und ihrer Not ist widerlich.
Seit der Vertragskündigungen des Senats mit der Pewobe im August 2016 warten die BewohnerInnen auf eine neue Trägerschaft. Denn unter der aktuellen Leitung hat sich der Umgang mit den BewohnerInnen deutlich verschlechtert (z.B. wer 5 Min. zu spät sein Essen abholen will, bekommt es nicht mehr, das ist Samstag einer Wöchnerin passiert, sogar in Anwesenheit eines LAF-Vertreters) wie auch die Qualität und Menge des Essens, auch wechselten mehrfach die Sicherheits-Unternehmen, wohl weil billiger?
Der Konflikt um den Transfer seit Mittwoch, 5.10.16 , andauernd
122 Bewohnern, überwiegend alleinstehende Männer, wird am Mittwoch, 5.10. mitgeteilt, dass sie auf Geheiss des LAF am folgenden Tag um 10h in die NUK Köpenicker Allee 14, Betreiber DRK, transferiert werden. Begründung: Bauarbeiten im Erdgeschoss, die bisherige „Verdichtung“ wurde vom LAF aufgehoben. Die Bewohner weigern sich, sie haben Anspruch auf eine GU und fordern dies ein, mindestens aber, dass sie in die renovierten Stockwerke in der B. ziehen können.
Die BewohnerInnen fühlen sich belogen und verraten. Sie hatten die desaströse Verdichtung „hingenommen“ und über ihre Kapazitäten hinaus kooperiert, weil ihnen die Aussicht auf ein GU – Platz gegeben wurde. Nach langem Warten und vergeblichen Versuchen einer Unterbringung in einer anderen GU oder eigenen Wohnraum sind sie fassungslos, von heute auf morgen und ohne nachvollziehbare Begründungen in eine weitere Notunterkunft verlegt zu werden. Ohne Aussicht auf einen GU-Platz. Mit den Ereignissen der nächsten Tage findet eine fast kafkaeske Ereigniskette statt. Offensichtlich ist nur, dass weder die Pewobe noch das LAF ihre Entscheidungsmechanismen transparent machen wollen.So kommt am Do und Fr je ein anderes Team vom LAF, sie versprechen Unterschiedliches und heben dieses zeitversetzt wieder auf.
Am Donnerstag durfte eine Delegation der Bewohner sich die NUK Köpenicker Allee ansehen, sie berichteten nichts Gutes über die weit entfernten Duschen, vor denen die Bewohner draussen Schlange stehen, den Ton der DRK-Mitarbeiter und der Securitas, das schlechte Essen, sie empfinden diese NUK als deutliche Verschlechterung; dennoch gibt es kein anderes Angebot seitens des LAF-Teams.
Alle 120 Personen werden am Freitag polizeilich abgemeldet. Im Erdgeschoss, wo sie die Bauphase überstanden haben in der Zusicherung auf Umzug in die renovierten Räume, wird sofort Strom und Wasser abgestellt.
Die koordinierende Leiterin Peggy Müller lässt die BewohnerInnen weiter im Heim übernachten, ohne Kostenübernahme (KÜ) bekommen sie aber kein Essen.
Am Montag holen sich etwa 40 Bewohner eine neue Kostenübernahme via ICC beim LAF und ziehen in eine NUK in Spandau, einige ziehen auch in die Köpenicker Allee. Sie sind zermürbt, weil seit Monaten in engsten Verhältnissen hausend, selbst LAF-Vertreter waren erschüttert über die Zustände. Sie werden von Vertretern des LAF begleitet und erhalten von Herrn Manthey (LAF) eine schriftliche Zusicherung, bevorzugt bei der Zuweisung von GUs in Berlin berücksichtigt zu werden. Die, welche bleiben, glauben keinem Papier mehr.
Von Seiten der PeWoBe wird kommuniziert, dass „sie sich für jeden einzelnen ihrer BewohnerInnen einsetzen werden.“ Sie habe nichts dagegen, dass sie in der Bornitzstraße wohnen bleiben, nicht sie, das LAF habe dagegen entschieden, so wird die Verantwortung hin und her geschoben. Weiter dementiert die PeWoBe, dass ein Betreiber-Wechsel stattfinden soll. Obwohl aus Kreisen der Bewohnerschaft und auch aus externen Institutionen bereits bekannt ist, dass ein neuer Betreiber in den Startlöchern steht. Der bestehende Übergabe-Termin wurde ohne Begründung spontan abgesagt.
Es deutet sich immer mehr die Vermutung an, dass die PeWoBe als Eigentümer des Gebäudes sich weigert, diese Unterkunft kampflos zu verlassen. In der Hand haben sie zu ihrer vertraglichen Gebäudehoheit asylsuchende BewohnerInnen, die ihnen mit ihrer aus Verzweiflung und Fassungslosigkeit entstandenen Haltung, das Haus nicht verlassen zu wollen, ungewollt in die Hände spielen.
Seither sind 50 – 60 v.a. arabisch sprechende Bewohner ohne Kostenübernahme (KÜ), d.h. ohne gesicherte Versorgung, weiterhin in der Bornitzstr., verhandeln immer wieder mit der Pewobe-Leitung und dem LAF.
Auch die Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg, Frau B. Monteiro, und ihre Mitarbeiterin, Frau I. Plat, bemühen sich um Lösungen im Konflikt um diese NUK und ihren Betreiber.
Stand 17.10.2016